DER ANFANG
#1
Ich sitze an Board eines Flugzeugs der British Airways am Flughafen in München. Ziel ist London Heathrow. Ein komisches Gefühl durchströmt meinen ganzen Körper und mein Herz pocht vor Aufregung. Der Start einer neuen Reise steht mir bevor und die Freude ist mir kaum aus dem Gesicht zu schreiben. Einige Monate zuvor hätte ich mir nicht im größten Traum vorstellen können an diesem Punkt in meinem Leben zu stehen. Ich war gefangen in einem endlosen Kampf einen Sinn in meinem Leben zu finden, mich zu versorgen und an eine ‘erfolgreiche’ Zukunft zu denken. Gefangen in einem Zwiespalt aus den Erwartungen meiner Familie und Mitmenschen und meinem eigenen Wunsch der Selbstverwirklichung, der einen starken Abgrund meiner Gemütslage offen gelassen hatte, drehte ich mich immer wieder in Kreisen um die selben Dinge. Ich hatte mich verfangen in einer gesellschaftlichen Vorstellung wie ich mich verhalten muss und war unglücklich mit meiner Lebenssituation und meinen Entscheidungen. Die tieferen Abgründe meiner Vergangenheit hingen wieder über meinem Kopf und hatten mir die Kehle zugeschnürt und meinen Blick trüb und leblos werden lassen. Freude war zwar da, doch die Gedankenspiralen aus Selbstzweifel und -Sabotagen kamen in stillen Momenten wie brechende Wellen auf mich hinein. In der Vergangenheit hätte ich meine Sorgen in Alkohol und Drogen ertränkt, aber der Wunsch eine wirkliche Veränderung in meinem Leben zu bewirken war größer und ich hatte mit dem Exzess abgeschlossen. Ich musste meinen Mut wieder finden und mein Leben so gestalten wie ich es mir am Besten vorstellen konnte. Ich hatte jedoch keine Ahnung wie dieses Leben aussehen könnte und war von der Angst getrieben wieder nicht das erreicht zu haben was ich mir seit längerer Zeit vorgestellt hatte. Ein bedrückendes Gefühl von Ungewissheit und Missmut hatte sich in mir breit gemacht.
Ich sehe aus dem Fenster und wir gleiten mittlerweile bei wunderschönem Sonnenschein irgendwo über Deutschland so dahin. Der endlose Wolkenteppich unter uns, der immer wieder einen kleinen Blick auf die Landschaft durchlässt, gibt mir das Gefühl von den Sorgen meiner Vergangenheit loslassen zu dürfen. Und ich habe losgelassen. Ich habe meine Entscheidung getroffen etwas anderes mit meinem Leben anfangen zu wollen. Ein riesiges Verlangen mit einer kindlichen Leichtigkeit durch den Alltag zu gehen hat sich in mir manifestiert. Endlich wieder sorgenfreier atmen zu dürfen.
Eine paar Monate zuvor, kurz vor Weihnachten, habe ich meine Angst bezwungen und bin meiner tiefen Intuition gefolgt. Ich habe meinen Job gekündigt und mich von meinem vermeintlichen Traum getrennt ein gelernter Koch zu sein. Ohne finanzielle Rücklagen und eine Ahnung davon wie ich in den kommenden Monaten meine Wohnung bezahlen sollte, habe ich mich von diesem Lebensabschnitt getrennt. Eine starke Sicherheit, dass ich den richtigen Weg eingeschlagen habe breitet sich in mir aus und schenkte mir Zuversicht für die Zukunft. Es fühlte sich an wie blinder Optimismus mit einer Mischung aus drei Schlägen ins Gesicht, dem Aufwachen aus einem Albtraum und einer inneren Sehnsucht nach Freiheit.
Es war ein schwieriger Schritt diese Entscheidung mit mir und wichtigen Menschen zu teilen. Meiner Familie beichtete ich nach unserem Weihnachtsessen am 24.12, dass ich meine Arbeit hinter mir lassen würde. Ich war überrascht wie meine Mutter mit dieser Veränderung umging. Für sie war das Wichtigste, dass ich wieder an einem ‘normaleren’ Leben teilhaben konnte. Die Jahre zuvor waren meist sehr einsam für mich. Ich hatte Arbeitszeiten, die wenig soziale Kontakte ermöglichen. Meine Freunde sah ich nur beiläufig und der Kontakt zu meiner Familie war nur dann möglich, wenn ich das Gefühl hatte ihn zu wollen. Meine Brüder reagierten sehr ähnlich und gaben mir noch mehr Zuversicht meinen eigenen Weg gehen zu können. Der Selbstzweifel, den ich mit mir getragen hatte, wurde mir von den Schultern genommen, als mir meine Brüder ihre Sicht auf meine Person beschrieben haben. Dort wo ich Schwäche und wenig Sinn gesehen hatte, sahen sie ein Talent und starkes Durchhaltevermögen. Sie sagten mir, ich hätte eine wahnsinnige Arbeitsmoral und ein starkes Verantwortungsbewusstsein meiner Arbeit gegenüber, was ich schon lange nicht mehr gesehen hatte. Der Selbstzweifel verschwindet immer mehr. Ich fühle mich wieder mehr fähig meine Stärken zu erkennen und bewusster auf meine Entscheidungen zu blicken. Das Leben bekommt wieder eine bekannte Leichtigkeit.
Eine neue Szene hat sich gebildet als ich erneut aus dem Fenster sehe. Wir fliegen jetzt über den Ärmelkanal und das Wasser ist übersäht von großen Frachtschiffen. An vielen Stellen sieht man riesige Felder mit Off Shore Windrädern, die unsere Energiekrise in Europa beheben sollen. Das tiefe Blau des Meeres und die offene Weite lassen mich in meinen eigentlichen Traum verfallen die Welt zu sehen. Das Verlangen liegt schon seit geraumer Zeit in meiner Brust. Unbewusst hatte ich in den vergangenen Jahren immer wieder den großen Wunsch in mir verspürt in die Welt aufzubrechen, war aber jedes Mal, wenn die Idee hoch kam, verängstigt und zu sehr in meinem Alltag befestigt. Ich habe mir oft gesagt “nächstes Jahr dann” und “ich muss nur dies und das noch schaffen um dann dafür bereit zu sein”. Es hat lang gedauert bis ich verstanden habe, dass ich auch aufbrechen kann ohne sämtliche Dinge geschafft zu haben.
Wir sind gelandet. Ich steige aus der A320 aus und ich spüre wieder den feste Boden unter meinen Füßen. In der Luft, soweit vom dem sicheren Halt entfernt, lässt es sich oft groß träumen, doch diese Träume sind auf der Erde genauso stark und verfliegen nicht. Dieses Jahr ist es endlich soweit. Ich beginne meine Reise. Eine Reise, die sich endlich so anfühlt, als würde ich nicht weglaufen, sondern auf etwas zulaufen. Eine Reise, die mich authentisch fühlen lässt. Ein Reise, die Bedeutung hat und mir einen Sinn gibt. Eine Reisen in das absolut Ungewisse.
Im Anflug nach Heathrow hatten wir viele Sehenswürdigkeiten in London gesehen. Viele Kindheitserinnerungen sind hoch gekommen als ich den Buckingham Palace oder Tower Bridge und das London Eye gesehen habe. Verschiedene Momente aus ganz unterschiedlichen Besuchen in dieser Millionenstadt, die sich anfühlen wie ein Leben aus weiter Ferne. Ein nostalgisches Gefühl an die Zeit zu denken als ich mit meiner Familie durch die Straßen und Parks Londons‘ gelaufen bin. Jetzt ist es an der Zeit Neues zu sehen. Raus aus meiner Comfort Zone und hinein in das Unbekannte. Neue Kulturen und Länder bereisen, die mir noch nicht offen gestanden sind. Dorthin, wo man den Ursprung der Menschheit vermutet. Auf nach Afrika!
Inzwischen ist wieder etwas Zeit vergangen seit meiner Reise nach England und ich sitze bei Sonnenaufgang in der Sauna an einem See mit Blick hinauf zu einer Anhöhe auf der eine kleine Kapelle unter Ahorn und Eiche steht. In der Ferne die wohlvertrauten Hügel der Voralpen über die sich der Nebel durch die Wärme der Sonne in die Höhe schlängelt. Im Hintergrund höre ich nur das Geräusch vom knisternden Feuer, rauschendem Wasser und U2 - Where The Streets Have No Name - aus dem Smartphone unter der Bank. Ein schöner Ort um eine Reise in die Ungewissheit zu beginnen. Ich lese ein letztes Mal meine geschriebenen Sätze und korrigiere mich an der ein oder anderen Stelle. Es ist eine große Vorfreude in mir meine Reise zu beginnen und sie mit euch allen zu teilen. Vielleicht findet sich ja der ein oder andere auch hier wieder. Ich freue mich über jede Nachricht, die ihr mir hinterlasst. Wir werden sehen was die Zukunft mit sich bringt … Für‘s erste bin ich im Hier und Jetzt!